Autor:
Thomas Speck
Veröffentlicht am:
16. Mai 2025

Modern Fitness – ein Streifzug durch die Soziologie der Leibeserziehung

In einem blitzblanken Tempel der Selbstoptimierung – von Eingeweihten auch Fitnessstudio genannt – begegnen wir zwei Archetypen moderner Leibesdarstellung. Links erklimmt eine Dame im Hochglanz-Zweiteiler mit betonter Rückansicht einen Stairmaster, jenes sagenumwobene Gerät, das echte Treppen durch elektronische Schamstufen ersetzt. Ihr Blick geht lächelnd zurück – vermutlich, um sich zu vergewissern, dass ihr digitaler Schatten (alias: Follower) mithält. Rechts davon ein Paradebeispiel der Gattung Discopumper primus maximus: ein muskelgepanzerter Adonis mit Bart, Kurzhaarfrisur und einem Bizeps, der offenbar ein eigenes Instagram-Konto betreibt. In der einen Hand eine Hantel, in der anderen – imaginär – das Drehbuch seines nächsten Reels. Er steht, wie man es von Ochsen kennt: breitbeinig, stolz und etwas zu ernst für die Gesamtsituation. Der Raum im Hintergrund, voll mit Laufbändern und Kraftgeräten, wirkt wie das Setting eines Soziologiepraktikums mit Schwerpunkt Selbstvermarktung in Bewegung. Lichtfluten von außen lassen erahnen, dass niemand hier draußen läuft – wozu auch, wenn es drinnen Filter und Spiegel gibt?

Ich hab ein Fitnessstudio Abo und ich hab mich bisher ganz gerne im Stillen lustig gemacht, was für menschliche Stilblüten und Beinahekatastrophen einem in einem Fitnessclub begegnen können. Naja, und da hab ich da ja auch noch einen Podcast und mangels tiefschürfender Ideen gerade, dachte ich, ich widme mich ein wenig diesem Thema.

Liebe Leute, das ist eine Satire und auffallende Ähnlichkeiten mit lebenden Personen – gleichwohl volle Absicht – sind nicht persönlich gemeint. Schlimmstenfalls muss Dein Erscheinungsbild und Benehmen stellvertretend herhalten, um ein Beispiel zu geben – ein gutes oder schlechtes. Wenn Du Dich witziger- und seltsamerweise zufällig hier wiederfindest, ist das bestenfalls ein Testimonial für Deine Persönlichkeit und ich plädiere darauf Spass zu verstehen und vielleicht ein wenig daraus mitzunehmen.

Ich ächze und schwitze. Sitze an der Rudermaschine und pulle aus Leibeskräften, es ist der letzte Satz dieser Übung.
Und während mir der Schweiß in den Augen beißt, weiß ich nicht wo ich zuerst hinschauen soll.
Vor mir, direkt in Augenhöhe, etwa 5 Meter entfernt steht ein Stairmaster und darauf drippelt ein kleiner knackiger Pfirsich-Popo auf und ab. Die strammen Backen dieses Hintergestells sind eingepackt in eine Leggins Hose und der junge Hintern ist so klar sichtbar, das man meinen könnte, der Stofffetzen sei nur aufgemalt.
Und während der Beat moderngrässlicher Tanzmusik, die heutige sogenannte Radiokultur, überlaut durch die Hallen tönt, steigt das Mädel vor mir tänzelnd und wippend seine Stockwerke auf der Treppensteigmaschine und ich grinse beim Gedanken: das sie Geld dafür bezahlt, hier Treppen steigen zu dürfen.

Das Fitnessstudio befindet sich im 3 Stock eines Einkaufszentrums und die meisten fahren mit dem Lift herauf – nur um dann auf dem Stairmaster ein paar Stockwerke zu steigen?
Weshalb zahle man monatlich Geld, um dann auf einer Maschine Treppen zu steigen und fährt außerhalb des Studios mit dem Lift? Oder geht am Laufband ein paar Kilometer, fährt aber draußen jeden Meter mit dem Auto? Ist doch irgendwie absurd, oder?
Vor einigen Wochen habe ich eine sehr junge Trainerin gefragt, warum die Mädels sich eigentlich so freizügig bekleiden. Wobei das hier eigentlich nicht mehr Bekleiden heißen dürfte – ausstellen trifft es wohl besser.
Vor 20 Jahren wäre das als Reizwäsche verkauft worden. Ja, ich habe sie auch offen gefragt, ob da überhaupt noch Höschen drunter getragen werden – sie hat mich darüber aufgeklärt, das es Wäsche gebe, die so gefertigt ist, das man A: alles sehen kann und es beabsichtigt ist, die Popofalte auch richtig zur Geltung zu bringen und B: die Unterhose sich nicht abzeichnet, selbst wenn man nur einen hauchdünnen Stoff drüber trägt.

Aha

Sie sagte mir, das die alle glauben, das man so sein muss, weil einem die Fitnessindustrie auch nur solche Werbe und Wertebilder vorsetzt – da ist auch mein tolles Studio leider keine Ausnahme. Sie wollen entsprechen und natürlich wollen sie gerne gesehen werden, es ist ein Werbeverhalten. Aber, sie wollen halt nur von denen gesehen werden, die sie auch interessieren – ältere Männer gehören da nicht dazu, unter deren Blicken würden sie sich nicht wohlfühlen.
Hier glaube ich wirklich, das etwas in eurem Oberstübchen nicht ganz richtig laufen kann – ihr könnt doch nicht eure Reize ins Schaufenster stellen und dann erwarten, das nur eine bestimmte Personengruppe euch betrachtet?
Soll ich, weil ich schon fast 60 Jahre alt bin, hinter einem blickdichten Vorhang trainieren? Muss ich gesenkten Hauptes rumlaufen, weil ihr Hühner euch an Instagram und Werbung orientiert, anstatt dem gesunden Menschenverstand? Sehe ich mir eure Reels, Boomerangs – und was weiß ich noch für Exoten – auf Instagram an, ist es doch genau das was ihr wollt. Euch als auf Körper und Figur reduzierte Wesen zu sehen – darauf nämlich läuft es ja hinaus, oder etwas nicht?
Es sollte heute möglichsein, das jeder tragen darf, was er möchte – ohne dafür belästigt zu werden. Aber gleichzeitig kann man ein Hinschauen nicht verbieten – ich starre ja nicht, oder hechele dabei wie ein läufiger Hund. Ich schaue, dafür hat mir Gott ja Augen gegeben.
Ich wurde schon einmal unschön angeschnauzt, weil ich ein Mädchen beobachtet habe, während sie mit solch frecher Hose und knapp sitzendem Sportbüstenhalter Kniebeugen gemacht hat.
Das war eine unschöne Erfahrung, weil selbst ich schlussendlich doch recht heftig in Zorn geriet.
Dieser jungen Dame zu erklären, das ich in meinem Alter keinerlei Interesse an Junggemüse habe, jedoch schon gerne schönes ansehe, was ja eigentlich ein Kompliment ist – erst recht, wenn es mir so freizügig und schamlos ins Gesicht gedrückt wird – nun – derlei Erklärungen sind in etwa so zielführend, wie einem Hohlerde Gläubigen zu erklären, das seine Argumente Stumpfsinn sind.
Das große Problem daran ist die Aufmerksamkeitsspanne solcher Hennen. Die reicht einfach nicht aus. Länger als 5 Sekunden hat man nicht, um sich zu erklären, alles, was darüber hinaus geht, verliert sich, weil Dämchens kognitive Aufnahmefähigkeit nicht ausreicht.
Man müsste seine Rechtfertigung sehr kurz halten, so Instagram oder Tiktok Dreisätzeklickaufslikeundswipe kurz. Und das kann und will ich nicht, ich hab gerne etwas mehr Niveau.
So bleibt es also dabei, als Voyeur beschimpft seiner Wege zu gehen. Es ist meiner Entscheidung überlassen, ob ich das gackernde Huhn nun als witzig oder schlicht geistig gerupft einstufen möchte.
Meistens wird es letzteres.
Ja, ich weiß, ein hartes Urteil. Aber in solchen Momenten interessiert mich wenig, was für eine Kindheit das zerzauste Federvieh hatte, noch ihre Sinnsuche-Psychosen – mein Urteil schubladisiert, was mir völlig klar ist. Aber das ist ein Luxus, den ich mir nicht nur leiste sondern der hilfreich dabei ist, bei mir selbst zu bleiben und derlei Kleinvieh nicht den Raum zu geben, den sie gerne hätte – husch, husch, weg mit Dir. Mach Dich wichtig woanders, blas Dich meinetwegen auf mit Instagram Reels oder Boomerrangs, deren Inhaltsleere nur Dich selbst widerspiegelt und tu bloß bitte noch Beautyfilter drüber, damit Du noch mehr Deiner Identität kaschieren kannst. Du bist nur ein weiterer Beweis das dämlich nicht von Dame ableitet.
Und komm mir niemals mit Feminismus und Frauenrechten. Klar Du darfst Dich so zeigen, aber wenn Du schon eine auf Palmers Schaufensterpuppe machst, dann lebe auch damit, das Mann hinsieht, denn das ist, was Du eigentlich willst.
In den meisten Studios, die ich kenne, gibt es Bekleidungsregeln, keine Tanktops oder gar nackte Oberkörper. So auch in meinem. Nun, das dürfte wohl eher eine Empfehlung denn eine Regel sein.
Damit wären wir bei den Hühnern.
Hühner treten meist in Scharen auf, werden zum Eierlegen oder eben für die Fleischzucht gehalten.
Wie das Federvieh gackern sie durch die Hallen der Körperoptimierung und lüpfen das eine oder andere Gewichtchen. Und werfen sich dabei in Posen, die den Po oder den – wenn vorhanden – Busen in die Richtung der Jungs auf der anderen Seite recken.
All das trippeln, kichern und gackern folgt dem Ziel einen Hahn beeindrucken zu wollen.
Und wie in Fitnessmagazinen vorgeführt, geht das über die einzige Sprache die Huhn versteht:
Plustern und flattern, gackern und schnattern – allem voran aber die besondere Körpersprache.
Da kanns schon passieren das eine schnatternd-gackernde Schar sich um den großen Fressnapf – äh, Spiegel – im Durchgang versammelt um unter intelligenzstrotzendem Gekicher gegenseitig Tiktok Videos zu begutachten und die Straffheit eigener Pobacken mit dem Sollergebnis, welches man sich vorher aus ebenjener Quelle angesehen hat, vergleicht.
Da wird mehr posiert, als beim dem Casting für Germanys next Topmodel – Männlein wie Weiblein lassen Muckies spielen und Popos wackeln, da werden oben besagte Reels und Boomerangs gefertigt und mit Viel Gegacker und Grinsen via Instagram und Tiktok auf die ganz verzweifelt darauf wartende Fanmeute losgelassen. Beautyfilter wohl nicht vergessen?
Es gibt natürlich auch unter den Herren Sonderexemplare.

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Die Discopumper.

Sehr unerfahrene und junge Exemplare der später noch genannten Ochsen, die ihre Fitness Tipps von Trainingsplänen dubioser Coaches aus Youtube ziehen und sich dann, wie einst Zampano zappelig an den schweren Beinpressen und Brustbänken versuchen, das es beim hinschauen schon weh tut.
Deren Ziel ist es, an Treffpunkten der heutigen Jugend (früher Diskotheken genannt) ihre Brunft Rituale um eine muskulöse Note zu erweitern.
Ihnen ist zu Eigen, dass sie nach jedem Training aufgeblasen, heimlich schielend, an Spiegeln vorbeigehen, um zu checken, ob man schon was sieht. Das sind auch jene, die später entweder zu ausgewachsenen Ochsen werden, oder, weil man nach 3 Wochen noch immer nix sieht, das Training wieder abbrechen. Da sie nur auf das äußere Männlichkeitsideal aus der griechischen Antike aus sind, um einen gewissen Vorteil bei Paarungsritualen auf Events ehemaliger Diskotheken zu entfalten, nennt man sie Disopumper.
Sie stellen viele Fragen, aber setzen die Antworten nicht um, denn die implizieren, das man sich auf ein jahrelanges Training einzustellen hat. Nix schneller Erfolg ist gleich: Nix gut.

Selbst freundliche Hinweise auf fehlende Technik negieren sie, weil im heiligen Buch, das sie von irgendwelchen Quellen aus dem Netz geladen haben – unter Angabe sämtlicher persönlicher Daten natürlich – steht ja was anderes.
Die tun mir meistens einfach leid, denn spätestens wenn die Knie dann mal schmerzen, werden sie wissen, das Haltung und Technik auf einer Beinpresse wichtiger sind, als das Gewicht.
Nur, dann, wenns weh tu, ist es meist zu spät – Bänder und Sehnen, manchmal Knorpel lässt Grüßen.
Ich habe es aufgegeben, hilfreiche Tipps zu geben – die ohnehin ignoriert werden. Und so sehe ich im Stillen den spätpubertären Minischwarzeneggern zu, wie sie seltsam pfeifende Töne von sich geben, beim Versuch viel zu schwere Gewichte beim Bankdrücken zu stemmen. Die Beine zappeln und stampfen dabei, das Kreuz ist nach oben gewölbt und die schmächtigen Ärmchen zittern unter den Gusseisernen Scheiben wie die Beine eines frischgeborenen Kälbchens.

Aus ihnen werden, wenn sie dranbleiben, fast unweigerlich Ochsen.

Das sind die, die wie ihre gehörnten, vierbeinigen Vorbilder rein nur zur Kraft und Fleischzucht ins Studio gehen. Auffällig erkennbar an den weit vom Körper gespreizten Armen, der dauerhaft angespanntem seitlichen Rückenmuskeln um ja ein möglichst breites Profil zu zeigen. Weithin hörbar, am gutturalem Gestöhne, wenn sie ihre Gewichte bewegen – man möchte meinen einem besonders kraftvollem Exemplar bei der Brunft zuzuhören – aber angesichts dessen sie Ochsen sind, geht sich das mit der Brunft wohl nicht so ganz aus.
Sollte der Brustton mit Reviermarkierungs-charakter nicht ausreichen, um hinreichend befriedigende Aufmerksamkeit zu erregen, neigen diese Herren dazu, die Gewichte die letzten Zentimeter fallen zu lassen, damit es schön knallt und der Eindruck entsteht, man habe bis zum letzten Muskelversagen trainiert.
Und gleich den entmanntem Stiere sind sie im Grunde harmlose Buben mit aufgeblähtem Proteinbauch und Oberschenkel die ich gerne als Nussknacker betrachtet wissen will. Ich meine, wie sollen dazwischen noch die Nüsse Platz finden? Nun, diese Frage enthebt sich ohnehin von selbst, nicht umsonst bezeichne ich derlei klobige Mannsgestalt als Ochsen.

Ein Blick zu dem Spiegel von vorhin, lässt erkennen, dass die Anzahl der Likes definiert, ob Frau Huhn oder Herr Ochse mit einem Lächeln das Studio verlässt, oder ob mit aufgemalt gequältem Grinsen das Tiktok nochmal aufgenommen wird.
Übersteigt die magische Messlatte an nonverbaler digitaler Zustimmung einen gewissen Sollwert, werden Brustkörbchen und Schwanzvergleich das nächste mal wohl zugunsten der Darsteller ausfallen, andernfalls muss für ein paar Tage die Krone der Selbstdarstellung an die Konkurrenz abgegeben werden – und natürlich läuft auch dies nicht ohne Gestöhn und Gegacker ab.

„Naja, bei dem Licht kann man das gar nicht so gut aufnehmen“ und „Mensch, hast die linke Brust gesehen, die ist doch viel größer als die rechte.“ „Das die oder der mehr Likes abstaubt geht mal gar nicht, wetten der oder die hat sich Follower nur gekauft?“
Das liegt wohl auch daran, das Maskulin oder Feminin sein im Fitnessstudio völlig anders definiert wird, als draußen. Drinnen herrschen die Regeln und Ideale vor, die einem via elektronisch übermittelten Medien vorgegeben werden. Nicht die eigene Zufriedenheit mit dem Körper ist wichtig, sondern die Beurteilung anderer, nicht immer wohlmeinender, Fans wird zum Maßstab.

Eine Tatsache, die jeden Feminismus und jede Bemühung um eine Gleichstellung völlig konterkariert, obwohl so manches Mädel sich auf seine feministische Selbstbestimmung beruft, während sie gleichzeitig ihre eigene Weiblichkeit auf Aussehen und eindeutige Posen reduziert.
Ich weiß, es gibt solch verwaschene Charaktere auch unter Männern, aber das scheint zu wenigstens 90% doch die Domäne der Weibchen zu sein. Aber auch die Männer, die sich aufblasen wie ein Michelin Männchen, nur um auf Tiktok oder dgl zu Ihrem Fame zu kommen, sind mindestens ebenso peinlich minderbemittelt – ja, ich sags offen: Ihr seid lächerlich. Muskulös, aber lächerlich.

Natürlich ist es euch erlaubt, in den Grenzen Menschlichen Zusammenlebens zu machen was ihr wollt, ihr dürft euren Lebensinhalt in Likes und Followerzahlen bemessen. Mir persönlich sichert das schließlich mein ganz privates Vergnügen und ich grins mir eins ob der Discopumper, Hühner und Ochsen.
Der Pfirsich da am Stairmaster trippelt noch immer und ich wische mir den Schweiß von der Stirn – wenn nur die viel zu laute und grausliche Musik nicht wäre.

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