Autor:
Thomas Speck
Veröffentlicht am:
1. März 2025

Kurz gesagt! – Klassenkampf – Oberösterreich und die Wuaschtsömmi

Ein satirisches, fotorealistisches Podcast-Cover zeigt eine theatralische politische Szene in Österreich. Auf einer großen, prunkvollen Bühne stehen Politiker in übertrieben historischen österreichischen Gewändern und liefern sich eine hitzige Debatte. Im Hintergrund prallen zwei Fahnen aufeinander – eine in Blau-Gelb, die andere in Regenbogenfarben, als Symbol für den gesellschaftlichen Kulturkampf. Im Vordergrund steht ein verwirrter Mann in moderner Kleidung mit einem Wörterbuch in der Hand, der versucht, die Dialektphrase ‚I kriag a Wuaschtsömmi‘ von einer Tafel zu entschlüsseln. Die Szene kombiniert Ernst und Absurdität, passend zur satirischen Tonalität des Podcasts.

Wenn Integration an der Fähigkeit gemessen wird, „Wuaschtsömmi“ fehlerfrei zu deuten, dann ist Oberösterreich auf dem besten Weg, zur sprachlichen Eliteakademie der Nation zu werden. Die neueste Idee aus der politischen Mitte: Dialektkurse für Asylbewerber. Denn wer Hochdeutsch kann, ist anscheinend nur halb integriert – ohne Mundart bleibt man ein Fremdkörper.

Dass die Rechten allenorten Blendgranaten werfen, damit sie unbehelligt wurschteln können, ist längst bekannt. Aber verbale Knallerbsen kommen mittlerweile auch von denen, die früher wenigstens so getan haben, als würden sie nachdenken, bevor sie reden.
Denn in Oberösterreich hat die alte politische Mitte auch ihre Pointen parat.
Da zeigt sich die ehrenwerte konservative ÖVP fast schon als ein Laboratorium für Integrationskonzepte, die irgendwo zwischen österreichischem Schmäh und drastisch herabgesetztem Intelligenzquotienten balancieren.

Die Idee: Dialektkurse für Asylwerberinnen und -bewerber!
Der für Integration zuständige Landesrat Christian Dörfel von der ÖVP begründete seine Idee in Linz so:
„Es gehe darum, dass sich Zugewanderte an die Mehrheitsgesellschaft anpassten und nicht umgekehrt.“ Deshalb sei es wichtig, dass neben Hochdeutsch auch der Dialekt verstanden werde. Dörfels Büro nannte gegenüber der Nachrichtenplattform Heute.at auch ein Beispiel: So arbeiten Zuwanderer ja auch in Supermärkten. Bestellten Kunden dann ein belegtes Brötchen mit den Worten „I kriag a Wuaschtsömmi“ dann sei das mit Hochdeutsch nicht zu verstehen.
Der Dialektkurs, so glaubt der oberösterreichische Landesrat, wäre da eine große Hilfe.

Ich nehme an, die nächste Eskalationsstufe ist dann ein verpflichtendes Seminar in „Kritisches Granteln für Fortgeschrittene“? Das dies von einer Partei kommt, die sich jüngst der Rechten FPÖ anzubiedern versuchte, verwundert fast nicht mehr. Es macht bloß traurig.

„Es gehe darum, dass sich Zugewanderte an die Mehrheitsgesellschaft anpassten und nicht umgekehrt.“
Als würde dieser Satz direkt aus dem Handbuch für „So tun, als wäre Integration eine Einbahnstraße“ stammen. Abgesehen davon, dass Sprache immer ein beidseitiger Prozess ist, ist doch auch Integration keine gastronomische Selbstbedienungstheke, bei der sich jeder nur das nimmt, was ihm schmeckt, während er den Rest ignoriert. Vielmehr gleicht sie einem Tanzkurs, bei dem beide Partner lernen müssen, sich aufeinander einzulassen – und wer nur auf seinen eigenen Schritten besteht, tritt dem anderen zwangsläufig auf die Füße.
Bleibt die Frage: Wer hat eigentlich definiert, dass sich Integration am Dialekt misst?
Bedeutet das im Umkehrschluss, dass jemand, der keinen örtlichen Dialekt spricht, in Oberösterreich per se schlecht integriert ist? Da müssen jetzt aber einige Wiener zittern.

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„Neben Hochdeutsch auch den Dialekt verstehen“
Hier betritt die Argumentation eine faszinierende Ebene: Die Annahme, dass man als Zuwanderer erst dann wirklich „angekommen“ ist, wenn man ohne zu blinzeln ein „Wuaschtsömmi“ übersetzen kann. Ich wage zu behaupten: So mancher Oberösterreicher ist in Wien schon einmal an einem schlichten „Heast, host kan Knedl?“ oder dem gereizten „Geh scheißn, du Beidl!“ gescheitert – sollte man denen jetzt auch Förderkurse verpassen?

Aber, vielleicht geht es gar nicht um Sprache, sondern um Identität! Denn die Dialektschulung könnte ein subtiles Aufnahme-Ritual sein: Erst wenn jemand „Da hat wos B’sundas g’staubt“ ohne nachzudenken versteht, darf er wirklich dazugehören. Quasi die mundartliche Variante eines Staatsbürgerschaftstests.

„Bestellten Kunden dann ein belegtes Brötchen mit den Worten ‚I kriag a Wuaschtsömmi‘ dann sei das mit Hochdeutsch nicht zu verstehen.“
Hier haben wir das Herzstück des Projekts – die kulturelle Unverzichtbarkeit des Dialekts im Einzelhandel! Man stelle sich vor, ein Zugewanderter Angestellter eines Supermarktes zuckt hilflos mit den Schultern, weil er den Einheimischen nicht versteht. Was für ein Chaos! Diese Unruhe! Der Kultureller Verfall!
Ist es von Oberösterreicher:innen wirklich zuviel verlangt sich beim Einkauf verständlich auszudrücken? Die sagen beim Arzt sicher auch nicht „Heast, da Haxn is wia z’schossn, do muaß wos g’scheit’s her!“, sondern vermutlich doch eher etwas, das der medizinischen Fachkraft eine realistische Chance gibt, die Beschwerden auch zu verstehen.
Warum sollte das beim Semmelkauf anders sein?

Wenn Dialekt wirklich so unverzichtbar ist, warum gibt es dann nicht auch Pflichtkurse für alle anderen Zugezogenen, z.B. aus Wien oder Deutschland? Und sowieso: Wer „Brötchen“ statt „Semmel“ sagt, muss zur Nachschulung.

Die große Frage: Wer zahlt diese Kurse? Die Betroffenen selbst? Der Steuerzahler? Oder am Ende gar die Wurstlobby – weil man sicherstellen will, dass nie wieder ein Wuaschtsömmi falsch verstanden wird?
Und wird der Dialektkurs dann Teil der Integrationsprüfung?
„Bitte übersetzen Sie: ‚Heit foa ma amoi mit’n Trakta zum Wirtn, wos sogst?‘“
Gratulation, jetzt bist du ein Oberösterreicher!
Wer scheitert, bekommt dann halt nur ein Hochdeutsch-Zertifikat – und die Integration light Zulassung.

In Bayern kann man an der Münchner Volkshochschule zum Beispiel den Kurs „Boarisch grantlt, gschimpft und gfluacht – alles über die drei Haupttugenden der Münchner“ besuchen.
Ich gebe zu, das ist ein rhetorisch interessanter Kurs.
Und wenn Oberösterreich ähnliche Angebote plant, dann schlage ich 3 Intensivkurse vor:

1. „Griaß di, pfiat di, oba geh“ – Basis Kommunikation Im Land Oberösterreich.

2. „Gscheit raunzen für Anfänger“ – Basiswissen im gepflegten Meckern über Wetter, Politik und die Unfähigkeit der Wiener.

3. „Das geheimnisvolle ‚Oida‘ – von der Beleidigung bis zur Liebkosung“ – ‚Oida‘, ein Meisterkurs über die Dialektische Intonation.

Vielleicht könnte man noch eine „Advanced Dialektprüfung“ ins Spiel bringen. Eine Art Oberösterreichisches C1-Zertifikat für Hochbegabte, bei der man dann nicht nur Sätze versteht, sondern selbstständig granteln muss. Zum Beispiel: „Die Teilnehmer müssen überzeugend und in fehlerfreiem oberösterreichisch über Immigranten schimpfen können.“

Dann muss es, weil österreichische Lösung, auch bald eine neue Behörde geben:
Das Mundartamt für Inklusionsfragen.
Die Kosten trägt dafür natürlich der Steuerzahler – aber zu seinem eigenen Besten! Denn wenn endlich alle den Dialekt beherrschen, muss er sich in Zukunft beim Zuhören nicht mehr anstrengen. Eine echte Entlastung fürs Hirn!

Ich verstehe ja den Gedanken dahinter – wer einen Dialekt versteht, hat leichteren Zugang zur Alltagskommunikation.
Aber macht das Integration wirklich erfolgreicher? Oder ist das Ganze eher ein symbolischer Akt, der impliziert: „Nur wer unseren Dialekt spricht, gehört wirklich dazu.“?

Kurz gesagt: Ein strunzdumm-absurdes Konzept, das irgendwo zwischen pragmatischer Blödheit und folkloristischer Illusion pendelt.

Die eigentliche Frage ist doch: Wer erklärt den Einheimischen ihre eigene Sprache? In Österreich wechseln die Dialekte ja nicht nur von Bundesland zu Bundesland, sondern oft schon von Tal zu Tal – und spätestens nach der dritten Dorfgrenze versteht niemand mehr niemanden. So mancher Steirer hört in Vorarlberg nur ein melodisches Rauschen, und selbst Wiener scheitern am tiefsten Innviertler Kauderwelsch.

Vielleicht sollten wir also alle gemeinsam in solche Kurse gehen? Ein staatlich gefördertes „Österreichisch für Fortgeschrittene“, damit endlich auch Osttiroler und Burgenländer ohne Dolmetscher miteinander reden können.
Aber das kann man von den Unsrigen doch nicht verlangen!

Für mich bleibt nur eine Schlussfolgerung: Der Dialekt ist nicht der wahre Grund für Herrn Dörfel.
Denn echte Integration bedeutet bestimmt nicht, dass man auf einem goldenen Thron sitzt und gönnerhaft entscheidet, wer sich gefälligst anzupassen hat – außer natürlich, man hält sich selbst für die Krone der Schöpfung.
Und wer Integration als einseitige Unterwerfung definiert, der glaubt wohl auch, dass es eine Herren- und eine Dienerrasse gibt.

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