Autor:
Thomas Speck
Veröffentlicht am:
4. Juli 2025

Es war einmal: Jetzt – Die Geschichte, die wir vergessen haben zu erzählen.

Quadratisches Coverbild mit fotorealistischer Illustration, das zwei kontrastierende Welten durch ein Puzzle-Motiv trennt: Links ein brennender Wald mit Galgen und mittelalterlicher Szenerie als Symbol historischer Grausamkeit; rechts eine moderne, sonnige Parklandschaft mit Wolkenkratzern, einem Becher Kaffee und einem Saugroboter als Sinnbild für Gegenwart und Komfort. In der Mitte verbinden Puzzle-Teile die beiden Hälften. Darüber der Titel: „Es war einmal. Jetzt – Die Geschichte, die wir vergessen haben zu erzählen.“

Was wäre, wenn wir nicht im Zeitalter des Untergangs, sondern mitten in der größten Erzählchance der Menschheit leben – und es bloß nicht merken? Diese Folge zerlegt mit spitzer Ironie unser kollektives Dauer-Jammern, serviert Fakten über Wohlstand und Fortschritt als Kontrastprogramm zur Dauer-Katastrophe im Newsfeed und fragt ganz ernsthaft: Liegt das Problem wirklich in der Welt – oder eher in unserem WLAN-Router?
Zwischen Amygdala-Alarm, historischer Perspektive und Highspeed-Zynismus lädt dich Thomas ein zu einer Reise in die Psyche einer Gesellschaft im Apokalypse-Modus.

Es war einmal – oder besser: Es ist jetzt.
Und gleichzeitig war es auch schon schlimmer. Oder besser. Kommt ganz drauf an, ob man die Nachrichten schaut oder Geschichtsbücher liest. In den Nachrichten brennt ständig etwas: der Wald, das Klima, die Demokratie. In den Geschichtsbüchern hingegen brannten hauptsächlich Menschen. Auf Scheiterhaufen. Für falsche Meinungen, oder weil sie Hexenshampoo benutzt hatten.

„Wir leben in der schlimmsten aller Zeiten!“, ruft Herr Meier aus dem 4. Stock, während er mit seinem Highspeed-WLAN im Homeoffice sitzend ein Bio-Müsli löffelt. Auf einem Stuhl, der ergonomischer ist als alles, worauf Ludwig XIV. jemals gesessen hat. „Früher war alles besser!“ ruft er, während sein Saugroboter diskret die Cornflakeskrümel von letzter Woche aufnimmt.

Gleichzeitig sitzt Historikerin Dr. Alina Fröhlich in der Uni-Kantine, blättert durch eine Chronik des Dreißigjährigen Kriegs und murmelt: „Heute zu leben ist ein Geschenk – verstehe gar nicht, was die Menschen zu meckern haben.“
Denn wer im 17. Jahrhundert Durchfall bekam, hatte eine höhere Wahrscheinlichkeit zu sterben als heute ein Dachdecker in einer Marsstation.

Vielleicht, so flüstert der Gedanke leise wie ein Algorithmus im Stand-by-Modus, ist gar nicht die Welt das Problem. Sondern unser Weltbild. Wir schauen auf ein Puzzle mit tausend Teilen, sehen nur den einen Fleck, der grau ist, und verzweifeln: „Alles kaputt!“ Dabei liegen daneben schon 999 farbenfrohe Stücke, brav sortiert nach Himmel, Hoffnung und Freude am Motiv.

Also ja: Vielleicht ist es Zeit, weniger auf die Apokalypse in der Primetime zu starren – und mehr auf das, was funktioniert. Oder zumindest nicht explodiert.

Es war das Jahr 2025. Oder, wie Historiker es später nennen werden: „Das postironische Zeitalter der permanenten Push-Nachrichten.“ Eine Ära, in der man morgens beim Zähneputzen erfuhr, dass die Demokratie wackelt, das Klima kippt und irgendjemand in Ohio einen Waffenschrank mit einem Toaster verwechselt hat. Alles in einem Feed. Alles gleichzeitig.

„Wir leben in der schlimmsten Zeit überhaupt!“, sagt der Mann am Frühstückstisch und streicht sich laktosefreien Frischkäse auf ein Dinkelbrötchen, während sein Smartphone ihm mit sanfter Stimme mitteilt, dass der Aktienmarkt „nervös“ ist – ein Zustand, den man sonst eher bei Nagetieren auf Koffein erwartet.

Gleichzeitig – und das ist der Clou – leben wir auch in der besten Zeit, die es je gab. Noch nie war die Lebenserwartung so hoch, die Kindersterblichkeit so niedrig und die Wahrscheinlichkeit, bei einem Zahnarztbesuch zu überleben, so erfreulich stabil. Wir haben Roboterstaubsauger, die auf Wunsch auch singen, und die medizinische Möglichkeit, Herzklappen durch die Leiste einzufädeln – Dinge, die man im Mittelalter noch für Zauberei und heute für Kassenzahler-Albträume hält.

Und doch: Die kollektive Grundstimmung schwankt zwischen „Apokalypse light“ und „Burnout deluxe“. Die Ironie liegt darin, dass wir uns gleichzeitig wie die Endverbraucher und die Endzeit fühlen. Ein Zustand, der sich am besten mit dem Begriff „Weltuntergangsluxus“ umschreiben lässt – der seltsamen Mischung aus Klimapanik und Klimaanlage, Depression und Lieferdienst.

Vielleicht liegt das Problem nicht in der Welt. Sondern in unserem WLAN-Router. Oder – noch schlimmer – in unserer Erwartung, dass das Leben sich anfühlen soll wie ein Wellness-Wochenende mit Erkenntnisgarantie.
Der Mensch ist ein erstaunliches Wesen: Er kann Sonden zum Mars schicken, virtuelle Haustiere züchten und gleichzeitig überzeugt sein, dass der Weltuntergang unmittelbar bevorsteht, nur weil der Supermarkt keine Kichererbsen mehr hat.

Warum ist das so? Ganz einfach: Unser Gehirn wurde in einer Zeit entworfen, in der „Breaking News“ bedeutete, dass ein Säbelzahntiger deinen Cousin gegessen hat – oder du ihn. Also den Cousin. Oder den Tiger. Egal, Hauptsache Panik.

Die Amygdala – unser steinzeitliches Angstzentrum – scannt bis heute alles, was bedrohlich wirkt: Schatten, Geräusche, Schlagzeilen. Besonders Schlagzeilen. Und die moderne Medienlandschaft ist für dieses alte Alarmsystem das, was ein All-you-can-eat-Buffet für einen Goldhamster ist: zu viel, zu fett, garantiert ungesund.

In der Steinzeit war es überlebenswichtig, auf das Schlimmste vorbereitet zu sein. Wer sich zu sehr entspannte, wurde sehr schnell Teil der Nahrungskette. Wer hingegen hinter jedem Busch ein Problem witterte, wurde zwar neurotisch, aber überlebte – und hatte Kinder, die genau dieselbe Tendenz erbten: die sogenannte Katastrophenkompetenz. Heute äußert sich das darin, dass wir nach einem harmlosen Husten sofort „Lungenpest Symptome Forum“ googeln.

Und so tragen wir dieses steinzeitliche Frühwarnsystem durch ein Informationszeitalter, das wie eine Dauer-Feuersirene klingt: Alles ist schlimm, überall, jederzeit. Es ist, als hätte man einem Neandertaler einen 5G-Anschluss gegeben – und dann CNN, TikTok und die Kommentarspalte von „Welt Online“ gleichzeitig auf ihn losgelassen. Kein Wunder, dass er dann schreiend im Kreis läuft.

Kurz gesagt: Unsere Hardware ist alt, unser Input ist neu, und das Ergebnis ist ein gefühlter Weltuntergang alle 90 Minuten – in HD und mit Push-Benachrichtigung.

Terry Pratchett, Autor und der Schutzheilige aller ironisch Überlebenden, sagte einmal: „Wir sind Affen mit Geschichten.“ Und tatsächlich – wir sind die einzige Spezies, die sich eine Welt ausdenken kann, in der man gleichzeitig ein Steuerformular ausfüllt und an Reinkarnation glaubt. Das ist nicht unbedingt logisch, aber es ist sehr menschlich.

Denn so absurd es klingt: Geschichten sind unser Betriebssystem. Sie machen aus Fakten Sinn, aus Chaos Ordnung, aus Alltag Drama.
Ein Stück Kohle ist erstmal nur ein Brocken – eine Story über den letzten Kumpel im Bergwerk, der dieses spezielle Stück hoch gebracht hat, macht diesen Brocken aber zur Reliquie.
Eine Virus-Mutation ist Biologie, die Geschichte drumherum ist wahlweise Thriller, Erlösungsmythos oder Stoff für Verschwörungs-Telegram-Gruppen.

Und genau hier liegt vielleicht die Wurzel unseres kollektiven Weltschmerzes: Wir haben keine Geschichte mehr, die unsere Welt erklärt – nur noch einen Newsfeed. Statt Epen erzählen wir Eilmeldungen. Und wer täglich liest, dass die Welt brennt, ohne den Kontext zu verstehen, wird nicht klüger – nur müder.

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Dabei könnten wir es besser wissen. Wir könnten uns eine andere Geschichte erzählen: Nicht die vom drohenden Untergang, sondern die vom ständigen Werden. Vom Affen, der Feuer machte, zum Menschen, der Elektrizität zähmte, bis hin zu jemandem, der seine Kaffeemaschine über eine App fernsteuert – und trotzdem immer noch Angst vor Spinnen hat.

Es wäre die Geschichte eines Wesens, das in der Lage ist, sich selbst zu hinterfragen. Das Fehler macht, aber daraus lernt. Das Chaos stiftet, aber auch aufräumen kann. Nicht perfekt, aber fähig. Eine Spezies mit einem fragwürdigen Geschmack für Reality-TV, aber bemerkenswerter Resilienz.
Vielleicht ist das der Punkt, an dem wir erkennen: Der größte Sprung nach vorn ist nicht technologisch – sondern narrativ.

Was wäre, wenn wir heute anfangen würden, uns selbst anders zu sehen – nicht als tragische Endzeitgestalten, sondern als unfertige Helden in einem wirklich verworrenen Epos? Keine Superhelden, sondern Supermenschen. Keine Auserwählten, aber immerhin denkende Lebewesen.
Statt also auf das Ende der Welt zu warten wie auf den Bus, der ohnehin nie kommt, könnten wir sagen: Was wäre, wenn das hier nicht der Abspann ist – sondern der Vorspann?

Denn seien wir ehrlich: Wenn ein noch so optimistischer Mensch aus dem Jahr 1924 uns heute besuchen würde, würde er wahrscheinlich denken, er sei in einem utopischen Roman gelandet – mit WiFi. Er würde staunen über Impfstoffe, fliegende Drohnen, 3D-Druck und die Möglichkeit, mit einem Klick eine Zahnbürste zu bestellen, die am nächsten Morgen im Briefkasten liegt – zusammen mit 87 E-Mails, die niemand lesen will.

Und genau da liegt die Pointe: Der Fortschritt ist real. Wir haben Krankheiten besiegt, Armut halbiert, das Wissen der Welt auf Hosentaschenformat geschrumpft. Wir stehen – trotz aller Rückschläge – an einem Punkt, an dem wir uns entscheiden könnten: Nicht, ob alles gut wird, sondern ob wir versuchen wollen, es besser zu machen. Und das ist, bei aller Ironie, eine verdammt gute Geschichte Es ist an der Zeit, dass wir nicht nur neue Technologien entwickeln, sondern auch eine neue Erzählung: Eine, in dem Menschen nicht als Virus auftreten, sondern als Möglichkeit. In dem die Frage nicht lautet: „Wie überleben wir?“, sondern: „Wie wollen wir leben?“
Eine Geschichte mit Platz für Fehler, für Entwicklung, für Kichererbsenkrisen – aber eben auch für Hoffnung. Nicht als Kitsch, sondern als Konzept.

Aber wie erzählt man so eine neue Geschichte? Muss man dafür Philosoph sein? Oder Influencer mit Podcast? Muss man ein kollektives Storyboard schreiben, oder reicht ein persönlicher Geistesblitz beim Zähneputzen?

Die Antwort ist simpel, aber unbequem: Die neue Geschichte beginnt nicht mit einem Manifest, sondern mit einem Blick. Nicht auf die Welt, sondern auf uns selbst. Wer wir sind. Was wir glauben. Und vor allem: Welche Geschichten wir jeden Tag mit uns herumtragen und welche wir weitergeben.

Es fängt alles damit an, dass man sich selbst beim Denken ertappt. Beim innerlichen „Ach, das bringt doch eh nichts“, beim automatisierten Zynismus, beim Reflex, auf jedes „Wir könnten doch…“ mit einem „Ja, aber…“ zu antworten. Vielleicht ist das schon der erste Satz der neuen Geschichte: „Ich weiß, dass ich oft so denke – aber vielleicht geht auch anders.“

Willkommen zur Disziplin „Selbstbeobachtung deluxe“ – auch bekannt als Gedankenhygiene für Fortgeschrittene. Keine App nötig, nur ein bisschen Ehrlichkeit und ein gut geschärfter innerer Satiriker. Bonuspunkte für jedes Mal, wenn man sich selbst beim Drama ertappt – und trotzdem weitermacht.

Eine neue Erzählung Deiner selbst beginnt ja gar nicht mit einem Paukenschlag, sondern mit einem Stirnrunzeln – über die eigenen Gedanken. Erstmal reicht es, sich selbst beim Denken zu ertappen: bei der ewigen Katastrophenfloskel im Kopf, beim reflexhaften Weltverdruss, beim inneren Kommentar, dass sowieso alles den Bach runtergeht – inklusive des Baches.
Der erste Schritt ist gar kein Heldentum, sondern bloß ein stilles: „Ach guck – das denke ich also.“
Und aus diesem Moment der Beobachtung wächst womöglich ein neuer Satz, ein neues Narrativ, ein anderes Selbstbild. Eins, das nicht in der Apokalypse endet, sondern in der Möglichkeit. Die Welt muss nicht sofort gerettet werden. Es reicht, wenn du heute damit anfängst, die Geschichte über dich selbst ein bisschen anders zu erzählen.

Denn bevor sich ein Kollektiv bewegt, bewegt sich immer erst ein einzelner Mensch. Die große Erzählung von morgen entsteht nicht auf Konferenzen politischer Akteure oder in Talkshows – sondern im stillen Moment, wenn jemand entscheidet, nicht mit dem Strom der Negativität zu schwimmen. Wenn jemand eine Lösung sucht, statt nur das Problem zu kommentieren. Wenn jemand trotz allem noch an das „trotzdem“ glaubt.

Und vielleicht merken wir dann: Die neue Geschichte ist gar nicht neu. Sie war immer schon da. Wir haben sie nur verlernt zu erzählen.
Weil sie keinen Knalleffekt hat, keine Superhelden, keine Weltuntergänge – sondern nur uns.
Mit all unseren Zweifeln, unserer Widersprüchlichkeit, unserem Chaos. Aber auch: mit unserer Phantasie und Vorstellungskraft.

Und genau dort beginnt jede Zukunft.
Mit einem „Was wäre, wenn es soviel Besser wird, als gedacht?“
Der Rest? Der kommt dann von ganz allein.

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