kurz gesagt! – Koalition Reloaded

Nach der Nationalratswahl 2024 folgte das übliche Gerangel um den Kanzlersessel, bei dem sich ÖVP, SPÖ und NEOS in einer Koalitionsverhandlung trafen, die mehr nach Gruppenblinddate mit Scheidungsgarantie aussah. Während die NEOS die beleidigte Diva spielten und früh ausstiegen, versuchten ÖVP und SPÖ ihr Glück – mit der Grazie eines alten Ehepaars, das sich streitet, wer den Hund behält.
Die österreichische Politik ist ein Kasperltheater mit Budgetloch, ein endloses Maskenball-Debakel, bei dem jeder einmal die Krone aufprobiert, nur um dann festzustellen, dass sie zu groß ist und ins Gesicht rutscht.
Nach der Nationalratswahl im September 2024 begann das übliche Gerangel um den heiß begehrten Sessel des Kanzlers. Die ÖVP – traditionell der Jean-Claude Van Damme der österreichischen Politik, weil sie mit einem überdehnten Spagat in der Wirtschaft und im Beamtenapparat steht – versuchte es zuerst mit einer Dreierkoalition aus SPÖ und NEOS. Doch kaum war der erste Verhandlungstermin anberaumt, bekam man den Eindruck, hier würden sich drei Leute treffen, um gemeinsam ein Haus zu bauen, obwohl einer einen Bagger, der andere eine Abrissbirne und der dritte nur eine Steuererklärung mitgebracht hat.
Die NEOS, jene pinke Hoffnungspartei, die sich gerne als Vernunftbringer inszeniert, erkannten bald, dass sie in dieser Dreierbeziehung die unglückliche Rolle des Pflichttermins im Kalender spielten. Also schüttelten sie ihr liberales Lockenköpfchen und verabschiedeten sich mit der Begründung, die anderen hätten „keine ausreichende Reformbereitschaft“. Was so viel heißt wie: „Wir haben gefragt, ob sie was ändern wollen, und sie haben gesagt: Nein.“
Zurück blieben die ÖVP und die SPÖ, zwei Parteien, die sich seit Jahrzehnten mit einer Mischung aus Hassliebe und Gedächtnisverlust aneinanderklammern wie ein altes Ehepaar, das sich nicht scheiden lassen will, weil sonst einer das Porzellan verliert. Die SPÖ, traditionell der traurige Clown im österreichischen Polit-Zirkus, wollte diesmal unbedingt mitregieren – koste es, was es wolle. Doch es kam, wie es kommen musste: Die ÖVP und die SPÖ traten sich bei der Budgetpolitik gegenseitig auf die Zehen, bis am Ende Karl Nehammer mit einem beleidigten „Na dann macht’s halt ohne mich!“ aus dem Kanzleramt stürmte.
Ein würdiger Abgang für einen Mann, dessen politisches Charisma irgendwo zwischen arroganten McDonalds Hamburger und eingeschlafenem Schweißfuß rangiert.
Und während also alle anderen noch damit beschäftigt waren, ihre Wunden zu lecken, saß Herbert Kickl in der Ecke, schüttelte sein blaues Haupt und wartete, bis das Chaos ihn von selbst in die Mitte des Geschehens spülte. Tatsächlich: Der Bundespräsident rief ihn zum Tanz, und Kickl ließ sich nicht zweimal bitten. Doch anstatt sich harmonisch ins Geschehen einzufügen, begann er, die Musik selbst zu bestimmen. Seine Forderungen? Ein Potpourri aus autoritären Feuchträumen: Das Innenministerium für sich, die Arbeiterkammer finanziell ausbluten lassen, Klimabonus und Bildungskarenz abschaffen – als Draufgabe noch eine Steuererhöhung auf Tabak, Photovoltaikanlagen und Elektroautos. Oder anders gesagt: Kickl trat auf die Bühne, rief „Österreich zuerst!“ und begann dann, jeden Österreicher einzeln zu schikanieren.
Die ÖVP, die sich bis dahin als der Erwachsene im Raum betrachtet hatte, bekam Schnappatmung. Sie hatten mit vielem gerechnet, aber nicht damit, dass ihnen Kickl das Spielbrett direkt aus der Hand reißt und sagt: „So, jetzt spiel ma nach meinen Regeln.“ Nach zähen Verhandlungen, in denen die FPÖ mit der Standhaftigkeit einer Dampfwalze ihre Vorstellungen durchdrücken wollte, wurde klar: Das wird nix. Die ÖVP entschied sich, doch lieber wieder in der Mitte zu stehen, woraufhin Kickl – wie ein beleidigter Onkel beim Familienfest – der sage und schreibe 7 Stunden an den verhandlungen teilnahm, die Bühne verließ und noch ein letztes Mal nachrief: „Ihr habt eure Chance auf den Kanzler verpasst!“ Ja, Herbert, genau so funktioniert das mit der Demokratie. Ein Wahnsinn.
Aber war das wirklich ein gescheitertes Experiment? Oder vielmehr eine politisch-chirurgische Not-OP an der eigenen Glaubwürdigkeit – mit Kickl als eiskaltem Chefarzt, der wusste, dass er seinen Patienten, sprich: seine Wahlversprechen, ohnehin nicht retten kann?
Denn mal ehrlich: Wer glaubt denn ernsthaft, dass die FPÖ mit einem Budget, das bereits vor Löchern mehr Luft als Substanz enthält, all ihre großspurigen Versprechen hätte umsetzen können? Von der finanziellen Enthauptung der Arbeiterkammer über den Stopp aller Klimaförderungen bis zur Sicherheitsutopie à la „Law and Order, aber bitte in Blau“ – das wäre so realistisch gewesen wie ein Kochbuch von Karl Nehammer mit dem Titel „Hamburger in 10 Variationen“.
Kickl wusste das natürlich. Und weil er auf gar keinen Fall riskieren konnte, als Kanzler das eigene Scheitern zu erleben – oder schlimmer noch, sich plötzlich für irgendetwas rechtfertigen zu müssen – zog er die Notbremse mit einer geradezu narzisstischen Eleganz. Er führte die Verhandlungen mit der gleichen Intention, mit der ein Versicherungsvertreter einem 90-Jährigen eine Lebensversicherung aufschwatzt: nämlich so, dass sie garantiert nie eingelöst werden müssen.
Indem er Forderungen stellte, die jeder Verhandlungspartner aus Prinzip ablehnen musste – ein echtes Meisterstück der Wählerverhöhnung, sorgte er dafür, dass die Gespräche krachend in sich zusammenfielen. Und was macht ein Profi-Populist dann? Genau! Sich selbst auf die Schulter klopfen, die Schuld den anderen zuschieben und so tun, als hätte er eigentlich alles richtig gemacht.
„Ich bin meiner Linie treu geblieben!“ Ja, Herbert, bist du. Nur nicht so, wie du es versprochen hast. Sondern so, wie es für dich persönlich am besten ist: als Mann der Prinzipien, der zufällig nie in die Verlegenheit kommt, sie auch umsetzen zu müssen. Ein narzisstischer Polit-Jongleur, der den brennenden Reifen erst hochwirft, dann schreit: „Schaut, wie gefährlich!“ – und sich feige aus der Manege verzieht.
Nun also sitzen wieder alle an einem Tisch, als wäre das alles nicht passiert. ÖVP, SPÖ und NEOS – das gescheiterte Dreigestirn der Vernunft, das plötzlich eine zweite Chance bekommt, weil offensichtlich die kollektive Amnesie schneller eingetreten ist als jede Form politischer Einsicht. Man hat sich ein bisschen angeschrien, einander mit Steuerideen beworfen, ein paar Ministerposten rumgereicht – und ist doch wieder am Ausgangspunkt.
Doch Moment mal. Warum geht das jetzt plötzlich? Warum war das beim ersten Versuch ein Ding der Unmöglichkeit, aber jetzt auf einmal ein gangbarer Weg?
Vielleicht, weil die NEOS erkannt haben, dass die Rolle der beleidigten Diva auf Dauer unsexy ist und man als Partei, die ständig Reformen fordert, irgendwann auch mal was anderes machen muss, als sich entrüstet zurückzuziehen? Oder weil die SPÖ endlich aufgehört hat, in den eigenen Reihen mehr Messer zu verteilen als Ministerposten? Vielleicht aber auch, weil die ÖVP inzwischen so verzweifelt ist, dass sie lieber die halbe Macht mit der SPÖ teilt, als noch einmal in den machtlosen Abgrund einer Kickl-Koalition zu starren?
Oder – und das ist die wahrscheinlichste Variante – weil die Alternative dazu gewesen wäre, Neuwahlen abzuhalten, bei denen niemand mehr weiß, wo er danach landet. Die ÖVP? Weiter im Sinkflug. Die SPÖ? Mit der Stabilität einer Jenga-Burg in der Erdbebenstation. Die NEOS? Immer in der Gefahr, dass sie jemand mit einer wohlmeinenden NGO verwechselt. Einzig die FPÖ hätte wohl profitiert, aber Kickl hat ja selbst den Beweis erbracht, dass er regieren genauso vermeiden will wie jede Art von unangenehmer Verantwortung.
Und so sitzt man also wieder da und tut, als hätte es das ganze Theater davor nie gegeben. Der Elefant im Raum – also das Scheitern beim ersten Mal – wird mit einer Tischdecke namens Realpolitik abgedeckt, und alle nicken sich zu, als hätte man sich einfach nur ein bisschen verspätet, aber eigentlich eh schon immer gemeinsam regieren wollen.
Am Ende bleibt also nur eine Frage offen: Wer darf diesmal die Rechnung für das Buffet zahlen?
Und wenn wir eins wissen, dann das: Es wird nicht die Politik sein.